Digital Fairness Dialog: Finanzminister Löger setzt sich für gleiche Wettbewerbsbedingungen für Old und New Economy ein

Auftakt der neuen Veranstaltungsserie von Handelsverband und interactive advertising bureau (iab) austria und Handelsverband im weXelerate Innovation Hub.

Wien (OTS) - Zu Beginn der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft starten das interactive advertising bureau austria und der Handelsverband den "Digital Fairness Dialog", um aktiv mit der Politik ins Gespräch zu treten und zukunftsfähige Lösungen für die Digitalwirtschaft zu erarbeiten. Künftig sollen im Rahmen der hochkarätig besetzten Veranstaltung Zukunftsfragen in den Bereichen Online und Digitalisierung thematisiert werden und ein konkreter Umsetzungsplan in enger Zusammenarbeit mit der Politik erarbeitet werden.

"Nur gemeinsam können wir die Risiken für den Standort geringhalten. Gemeinsam mit der Bundesregierung möchten wir einen strukturierten Dialog starten, um Österreichs Rolle bei Digitalisierungsthemen zu stärken", begrüßt iab-austria-Präsident André Eckert (Russmedia Digital).

Positive Stimulanz statt Überregulierung der Digitalwirtschaft

"Digitale Geschäfte erfordern weder eine physische Präsenz in der Region, noch spielen nationale Grenzen eine große Rolle. Umso mehr braucht die digitale Wirtschaft klare gesetzliche Rahmenbedingungen und eine faire steuerliche Erfassung, um den Steuervorteil gegenüber der traditionellen Wirtschaft auszugleichen. Der Vergleich macht sicher. Während klassische Unternehmen im europäischen Schnitt 23 Prozent an Steuern zahlen, liefern ausländische digitale Großkonzerne im EU-Schnitt nur neun Prozent an Steuern ab. Fördern wollen wir hingegen die Entwicklung von Fintech-Unternehmen aus Österreich. Sie brauchen eine positive Stimulanz, um Sicherheit und Ordnung zu gewährleisten", stellt Finanzminister Hartwig Löger fest.

Im Bereich Fin-Techs hat das Finanzministerium bereits einen Expertenrat in Zusammenarbeit mit Start-ups, internationalen Playern und etablierten Institutionen wie der Oesterreichischen Nationalbank gegründet. Aus dieser Gruppe heraus wird bis Jahresende ein Rahmenmodell entwickelt, das neue Geschäftsmodelle fördert und eine neue Regulatorik dafür entwickelt. Diese Regulatorik soll sich an die Entwicklung der Geschäftsmodelle anpassen und sich mit der digitalen und technischen Entwicklung verändern.

Österreichischer Vorstoß in der EU-Ratspräsidentschaft

Die durchschnittliche Unternehmensbesteuerung beträgt in Europa rund 23 Prozent für die klassische Wirtschaft. Die digitale Wirtschaft wird durchschnittlich mit nur neun Prozent besteuert. Globale Player lukrieren gute Umsätze in Österreich, ohne Steuern zu bezahlen. Im Anbetracht der fortschreitenden Disruption bedarf es einer Harmonisierung, um das bestehende Steuermodell nicht zu gefährden. Die EU-Ratspräsidentschaft bietet die Chance, einen Schwerpunkt auf neue Zieldefinitionen zu legen und auch mit Vertretern der OECD über den europäischen Tellerrand zu blicken und globale Lösungsansätze zu finden. Auf österreichisches Betreiben wurde von der EU-Kommission bereits ein Vorschlag für die digitale Betriebsstätte errichtet, die als einheitliche Definition eine globale Besteuerungsmöglichkeit schaffen soll. Binnen der nächsten zwei Jahre soll im OECD-Umfeld ein einheitlicher Definitionsrahmen erstellt werden, für den auch die Vereinigten Staaten Diskussionsbereitschaft signalisieren. Ausgleichssteuern auf einer Umsatztangente bieten eine weitere Möglichkeit, um regional zu besteuern. Durch die hohe Umsatztangente von 750 Millionen Euro im Vorschlag der EU-Kommission sollen Digitalgiganten in die steuerliche Pflicht genommen werden, ohne dabei Start-ups am Wachstum zu hindern.

Weltweite Steuermodelle bergen für Löger auch Gefahren in sich, da eine weltweite Regional-Besteuerung das exportstarke Europa im globalen Wettbewerb einschränken könnte.

Wirtschaft fordert investitionsfreundliches Klima und faire Wettbewerbsbedingungen

"Anstatt andere zu bremsen, brauchen wir Rahmenbedingungen, um nationales Wachstum zu fördern", sagt A1-Telekom-Austria-Vorstand Marcus Grausam in der anschließenden Diskussion. Er fordert ein Level-Playing-Field, um sich mit gleichen Voraussetzungen im globalen Wettbewerb erfolgreich behaupten zu können. Für ihn ist ein investitionsfreundliches Klima die Basis für wirtschaftliches Wachstum und die Stärkung des europäischen Digitalstandorts.

Rosenbauer-International-CEO Dieter Siegel begrüßt als stark exportorientiertes Unternehmen das Verständnis der neuen Bundesregierung für die Anliegen heimischer Wirtschaftstreibender. Er befürwortet faire Rahmenbedingungen, warnt jedoch vor überbordenden Steuerregulierungen: "Am Ende des Tages zahlt der Kunde die Steuern und es wird teurer."

Österreichische-Post-Vorstand Walter Hitziger kennt die starken Auswirkungen des Online-Handels auf den stationären Handel und sieht den Wertschöpfungsabfluss durch asiatische und amerikanische Digitalgiganten. Mit der Plattform shöpping.at bietet er kleinen Händlern den Zugang zum Digitalmarkt. Er spricht sich auch dafür aus, Konsumenten auf heimische Marken und Anbieter zu sensibilisieren. "Der Handel muss aktiv werden! Die Erlebnisse zwischen digitalem und physischem Handel müssen zusammengeführt werden, um sich gegen die Digitalgiganten zu behaupten." Kritisch sieht er auch die eingeschränkten Öffnungszeiten, die er als Wettbewerbsnachteil bezeichnet.

Handelsverband-Vizepräsident Harald Gutschi zeigt weitere Probleme des Digitalhandels durch umgangene Zölle auf. Insbesondere asiatische Anbieter bieten der Produktpiraterie weitreichende Möglichkeiten, die in einer globalisierten Wirtschaft die Wertschöpfungskette gefährden. "Jährlich gelangen 560 Mio. chinesische Pakete im Cross-Border-Handel in die Europäische Union. 97% davon gänzlich zoll- und mehrwertsteuerfrei. Fairness beginnt damit, den Umsatzsteuerbetrug zu verhindern. Der Handel braucht keine neuen Regulierungen, sondern den Vollzug der bestehenden Gesetze", so der Sprecher der Geschäftsführung der UNITO-Gruppe und Leiter der Handelsverband-Plattform "Versandhandel & E-Commerce".

iab-austria-Vizepräsidentin Alexandra Vetrovsky-Brychta (Bisnode) unterstreicht, dass digitale Geschäftsmodelle massiv anders seien und Regularien brauchen, die auf sie zugeschnitten sind.
BMF-Sektionschef Harald Waiglein befürwortet den europäischen Steuerwettbewerb, der die Politik zu effizienten Verwaltungen anhält. "Globale Steuergerechtigkeit ist eine Diskussion über US-Unternehmensrecht und Stiftungskonstruktionen", betont der Experte und verweist damit auf Steuerparadiese wie den US-Bundesstaat Delaware.

Accenture-Österreich-Country-General-Manager Michael Zettel fasst die digitale Entwicklung Österreichs zusammen: "Österreich hat ideale Voraussetzungen, um zu den Digitalisierungsgewinnern zu gehören." Er ist überzeugt davon, dass die Technologie alle Branchen verändern wird und sieht in den Bereichen künstliche Intelligenz, Cloud-Computing und Internet der Dinge dringenden Handlungsbedarf, damit Österreich von den Entwicklungen nachhaltig profitieren kann. Als Weltmarktführer in der Nische und mit den zahlreichen Hidden Champions hat Österreich einen Wettbewerbsvorteil, wenn diese ihre Kompetenz mit neuen Technologien zusammenführen. "Regional Champions kennen ihre Kunden und Märkte besser als Digitalgiganten", betont Zettel abschließend und warnt ebenfalls vor sinnwidriger Überregulierung wie durch die EU-Datenschutzgrundverordnung.

Handelsverband und Wirtschaftskammer fordern zeitnahe Lösungsmaßnahmen für einen fairen Wettbewerb

Im Mittelpunkt der Diskussion stand die Besteuerung der Digital Economy. "Das Steuersystem der so genannten ‚Old Economy‘ führt zu einer Ungleichbehandlung, da die derzeitige Steuergesetzgebung die digitalen Geschäftsmodelle unzureichend bis kaum abbildet. Es besteht dringender Bedarf, das Steuersystem an das digitale Zeitalter anzupassen", betont Iris Thalbauer, Geschäftsführerin der Bundessparte Handel in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ).

So haben sich etwa sowohl der Handelsverband als auch die Bundessparte Handel der WKÖ bereits mehrfach u.a. für eine schrittweise Einführung der virtuelle Betriebsstätte ausgesprochen - idealerweise auf OECD-Ebene. "Die EU-Richtlinienvorschläge in ihrer derzeitigen Fassung sind nicht treffsicher und werfen mehr Fragen auf, als Lösungen zu bieten. Auch wenn klar ist: Eine perfekte Lösung wird es nicht geben. Die Digital Economy ist hochkomplex und es wird immer rechtliche Grauzonen geben", erklärt Thalbauer.

Da die EU-Richtlinie zur virtuellen Betriebsstätte einstimmig angenommen werden muss, einige Mitgliedsstaaten aber verminderte Steuereinnahmen befürchten, zeigen sich Thalbauer und Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will bezüglich einer EU-weiten Umsetzung skeptisch. Die Diskussion um die Regulierung der digitalen Geschäftsmodelle ist im Kern eine fiskalpolitische. Österreich exportiert mehr als 6 Mrd. USD (2013) an digitalen Dienstleistungen. Durch eine virtuelle Betriebsstätte können diese digitalen Exportleistungen im Ausland steuerpflichtig werden, wodurch den Sitzstaaten Steuereinnahmen entgehen würden.

Nicht nur im Ertragssteuerrecht gibt es rechtliche Lücken, sondern auch im Umsatzsteuerrecht, unterstreichen Thalbauer und Will. "Durchdachte einzelstaatliche Maßnahmen können durchaus auch kurzfristig Wirkung zeigen, wie man am Beispiel Schweden mit der Einführung einer 6 Euro Bearbeitungsgebühr für die Paketverzollung sieht. In Großbritannien wiederum müssen Online-Marktplätze seit knapp zwei Jahren den Mehrwertsteuer-Verpflichtungen ihrer gelisteten Händler direkt nachkommen, wodurch jährliche Mehreinnahmen von einer Milliarde Pfund lukriert werden", so Will.

Handelsverband: 5 Maßnahmen für einen fairen Wettbewerb

Der Handelsverband empfiehlt fünf konkrete Maßnahmen, die für den heimischen Handel überlebenswichtig sind:

  • Maßnahme 1: Versteuerung & digitale Verzollung ab dem ersten Cent bei Einzelpaketversand in die EU
    Die Einfuhrumsatzsteuerbefreiung bis 22 Euro sowie die Zollfreigrenze bis 150 Euro sollte so rasch wie möglich abgeschafft werden, um auch asiatische Online-Händler besteuern zu können. Dafür braucht es eine digitale Verzollung mit Vorab-Versandmeldungen nach Schweizer Vorbild, die auch bei wenig Personalressourcen in den Zollbehörden umsetzbar ist. Angesichts jährlicher Wachstumsraten von 20 Prozent im chinesischen Cross-Border-Handel kommt die von der EU geplante Abschaffung Anfang 2021 leider viel zu spät.

  • Maßnahme 2: Einführung einer Bearbeitungsgebühr für Sendungen aus Drittstaaten
    Die Einführung einer digitalen Verzollung geht Hand in Hand mit der Einführung einer Bearbeitungsgebühr für Sendungen aus Drittstaaten, beispielsweise in Höhe von 6 Euro. Deutschland und Schweden haben eine derartige Vergebührung bereits angedacht, denn angesichts der stetig steigenden Paketvolumina ist eine Einzelpaketprüfung durch die Zollbeamten heute de facto unmöglich.

  • Maßnahme 3: EU-weit einheitliche Konditionen bei pauschaler Palettenverzollung
    Aktuell haben in der Europäischen Union drei Länder (Großbritannien, Tschechien und die Niederlande) extrem günstige Konditionen bei der Verzollung von Paletten aus Asien. Das ist unfair und sollte künftig europaweit einheitlich gestaltet sein, um eine drohenden Abwärts-Spirale zu verhindern.

  • Maßnahme 4: Online-Marktplätze zur Verantwortung ziehen
    Europäische Finanzbehörden sollten die Umsatzsteuer von Online-Händlern aus Drittstaaten notfalls direkt beim Marktplatz (z.B. Amazon Marketplace) einheben können, wenn diese den Handel unredlicher Unternehmer ohne Steuernummer über ihre Plattform nicht unterbinden. Die Registrierung beim Finanzamt ist bereits verpflichtend, wenn die Ware innerhalb der EU an Kunden versendet wird. In Großbritannien werden die Marktplätze bereits seit knapp zwei Jahren zur Verantwortung gezogen. Die britischen Behörden schätzen die Mehreinnahmen pro Jahr auf eine Milliarde Pfund. In Deutschland wiederum führten sogenannte Auskunftsersuchen der Berliner Steuerfahndung dazu, dass etwa Amazon mehr als 500 verdächtige chinesische Händler ohne Steuernummer von seinem Marketplace ausschloss. Durch diese Maßnahmen hat sich die Zahl der in der Bundesrepublik gemeldeten Händler aus China seit Mai 2017 verdoppelt.

  • Maßnahme 5: Einführung der virtuellen Betriebsstätte
    Durch die von der Bundesregierung und der EU-Kommission bereits angekündigte Einführung des Konzepts der digitalen oder virtuellen Betriebsstätte sollen künftig auch eCommerce-Plattformen ohne physische Präsenz in Österreich besteuert und damit die Körperschaftssteuervermeidung durch Digitalkonzerne gestoppt werden. Gerade bei der Ertragsbesteuerung ist ein nationaler Alleingang jedoch nicht unproblematisch, weshalb hier ein internationaler Schulterschluss – zumindest innerhalb der EU – zielführend ist.

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Mag. Gerald Kühberger, MA
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