Musik Sujet Unterricht Noten Mozart Klavier
ORF/Tobias Mayr
ORF/Tobias Mayr
Wissenschaft

Mozart macht weder schlauer noch gesünder

Der Musik von Wolfgang A. Mozart wird immer wieder eine fördernde und heilende Wirkung attestiert. Meta-Studien zeigen aber keinen signifikanten „Mozart-Effekt“. Es komme immer auf das Individuum an, sagen Experten. Aber: Aktives Musizieren helfe gegen Demenz.

„Es war ein guter Marketinggag, um Mozart populär zu machen“, sagt Gerhard Tucek. Der Musiktherapeut leitet das Institut für Therapie- und Hebammenwissenschaften an der University of Applied Sciences (IMC) Krems und bildet seit 15 Jahren angehende Musiktherapeutinnen und -therapeuten aus. Den viel beschworenen „Mozart-Effekt“ gäbe es nicht, sagt Tucek.

Seinen Ursprung fand der Effekt in einem Experiment einer Gruppe kalifornischer Wissenschafter rund um die Psychologin Frances Rauscher, die 1993 in einem Experiment mit 36 Studierenden nachwiesen, dass das Hören von Mozarts Sonate für zwei Klaviere in D-Dur (KV 448) das räumliche Vorstellungsvermögen verbessere. „Dann setzte sich ein Journalist aus den USA darauf und nannte es Mozart-Effekt. Und damit war der Mythos geboren“, erklärt der Musiktherapeut.

Mozart wurde häufiger untersucht

Heutzutage gilt Rauschers Experiment als höchst umstritten – mehr dazu in Psychologie: Mozart hilft auch nicht gegen Epilepsie (science.ORF.at; 6.2.2023). Auch Tucek hat in jahrzehntelanger praktischer therapeutischer Arbeit keinen nachweisbar höheren Effekt von Mozarts Musik entdecken können. Weder könne Mozart Epilepsie oder Depression heilen, noch die Intelligenz verbessern, so Tucek.

„Man hat halt Mozart untersucht“, sagt Tucek. Hätte man alle anderen Musikstile im gleichen Maß untersucht, hätte man unterschiedliche Ergebnisse erhalten. Denn dass Musik einen positiven Einfluss auf Körper und Geist hat, das stehe laut Tucek fest, und betreffe alle Musikstile, Komponistinnen oder Interpreten.

Musik Sujet Unterricht Noten Mozart Klavier
ORF/Tobias Mayr
Sich selbst ans Klavier zu setzen fördert Gehirn und Motorik und kann Demenz vorbeugen

In der praktischen Musiktherapie geht es daher darum, herauszufinden, welches Individuum auf welche Art von Musik anspricht. Mozart sei kein Allheilmittel, heißt es, auch wenn ein positiver Effekt im Einzelfall nicht ausgeschlossen werden könne.

Musik verändert Blutdruck und Atmung

Die richtige Musik verändere Blutdruck und Atmung, erklärt Tucek. Hören Menschen in einer Gruppe Musik, etwa bei einem Konzert, synchronisieren sich so die Atemzüge und Herzschläge einer Gruppe. „Das erzeugt ein Gemeinschaftsgefühl“, sagt Tucek.

So könne jede Musik Heilkräfte entwickeln, auch bei Patientinnen und Patienten, die nicht ansprechbar sind. „Wir müssen versuchen, die Menschen in die Entspannung zu bringen, und dann kann das Immunsystem zu arbeiten beginnen. Im Stresszustand haben wir ein geschwächtes Immunsystem.“ Auch bei bewusstlosen Menschen könne ein Ansprechen auf Musik durch Blutdruck und Atmung festgestellt werden, solange der oder die Musiktherapeutin die richtigen Klänge findet.

Aktive Musik hilft gegen Demenz

Ob Mozartkonzert oder Musikantenstadel – die Art der Musik sei zwar zweitrangig, heißt es, dennoch empfänden grundsätzlich mehr Menschen bei klassischer Musik Entspannng als bei Volksmusik, Rock oder Metal. Das liege daran, dass klassische Musik häufig Stilmittel mitbringe, die auf viele beruhigend wirken, erklärt der Komponist Oliver Graber, der am Forschungsinstitut für Musikmedizin der Jam Music Lab Privatuniversität in Wien unterrichtet. Darunter falle ein gemächliches Tempo, eine streicherlastige Instrumentierung und das Vorkommen von Stille. „Die beste Musik zur Beruhigung ist die Generalpause“, sagt Graber.

Musik hören sei heilend, heißt es von den Experten, noch besser aber sei Musik selbst zu spielen. „Musik kann sehr gut zur Prävention von Krankheiten verwendet werden, wenn man sie aktiv ausübt“, sagt Graber. Besonders gegen Demenz helfe eine halbe Stunde Klavierunterricht pro Woche und täglich eine halbe bis ganze Stunde üben, sagt Graber. „Dadurch ist es möglich, dass man Areale im Gehirn, die für die Motorik zuständig sind, aufbaut, trainiert, und auch das Gehör trainiert“, sagt Graber. Denn Schwerhörigkeit und Demenz seien stark miteinaner verbunden.